Betoninstandsetzung (Aktuelles Praxisbeispiel)
Autor: von Dipl.-Ing. Günter de Graaff Quelle: bausubstanz, Planen - Ausschreiben - Ausführen, Fachmagazin für Bauwerkserhaltung, Meininger Verlag GmbH, 2000, alle Rechte vorbehalten
Beton ist richtig verarbeitet ein im Hochbau fast überall einsetzbarer Baustoff mit hervorragenden Qualitäten. Allerdings können Ausführungsmängel und betontechnologische Ursachen zu Oberflächenschäden wie Rissen, Hohlstellen und abplatzenden Oberflächen führen; Schäden, die durch witterungsbedingte Einflüsse noch verstärkt werden. Je nach Schadensfall können Planungs-, Konstruktions- oder Ausführungsfehler die Ursachen sein. Bei vielen Fällen - wie bei dem Praxisbeispiel eines Internatsgebäusdes in Rheinbach - überlagern sich die Schadenseinflüsse. Zur Beseitigung der Schadstellen und zum Schutz des Betons war hier eine umfassende Betoninstandsetzung notwendig.
Das Mitte der 60er Jahre errichtete Vinzenz-Palotti-Kolleg wurde in Schottenbausweise erstellt. Dabei sind die Betonscheiben zur Trennung der Balkone ins Freie gezogen worden. Aus optischen Gründen und zum Schutz erhielten diese einen farbigen Anstrich. Die größten Schäden zeigten sich an den der Witterung ausgesetzten Stirnsseiten der Schotten. Es wurde nicht nur großflächiges Abblättern des Anstrichs sichtbar sondern auch Schäden an der Substanz selbst. Bei der Begutachtung wurden Risse im Beton und schalenförmige Abplatzungen mit freiliegenden Bewehrungsstählen festgestellt, die teilweise korrodiert waren. An der Betonoberfläche wurden stellenweise einzelne Stäbe der Bewehrung sichtbar.
Stahlbeton hat sich, sofern er nach den Regeln der DIN 1045 hergestellt und eingebaut worden ist, als ein sehr dauerhafter Baustoff erwiesen.
Der Hauptgrund für seine Langlebigkeit liegt darin, daß die Bewehrung eingebettet in qualitativ guten Beton mit ausreichender Überdeckung vor Korrosion geschützt ist. Der Korrosionsschutz, den der Beton der Bewehrung bietet, beruht auf der hohen Alkalität des Zementsteins bei einem PH-Wert von 9,5 bis 13,5. Auf dem Stahl bildet sich eine sehr dünne, lückenlose Deckschicht aus Eisenoxid, die sogenannte Passivschicht. Der Korrosionsschutz besteht jedoch nur so lange wie die Alkalität ausreicht, d.h. der PH-Wert des den Stahl umgebenden Betons in einem Bereich von ca.10 bis 13 liegt.
Karbonatisierung
Im Laufe der Zeit wird der Beton durch Umwelteinflüsse neutralisiert. Dieser Prozeß vollzieht sich durch die Reaktion des Calciumhydroxyds, das in den Poren des Zementsteins enthalten ist, mit der Luftkohlensäure. Der hier beschriebene chemische Vorgang, Karbonatisierung genannt, schreitet kontinuierlich von außen nach innen fort und wird mit steigender Karbonatisierungstiefe immer langsamer. Das Tempo wird vor allem durch die Dichtigkeit der Betonoberfläche und dem Zementgehalt des Betons bestimmt. Da der Stahl aber erst rosten kann, wenn die Karbonatisierungsfront die Ebene der Bewehrungsstähle erreicht hat und genügend Feuchtigkeit vorhanden ist, sind in der DIN 1045 Mindestbetondeckungen festgelegt. Diese sollen bei Einhaltung aller Vorschriften sicherstellen, dass eine Karbonatisierung während der Nutzungszeit des Gebäudes nicht zu den Stählen vordringen kann. Je nach Beanspruchung des Bauteils ist eine Mindestbetonüberdeckung von 2,5 bis 3 cm vorgeschrieben. Die Karbonatisierungstiefe eines Stahlbetonbauteils kann mit dem Phenolphtaleintest bestimmt werden. Die Prüfung wird vorgenommen, indem man eine Bruchfläche herstellt und den frisch gebrochenen Beton mit der Indikatorlösung besprüht. Der nicht karbonatisierte Bereich färbt sich rotviolett.
Mangelhafte Betondeckung
Die Analyse der Schadstellen an den Stahlbetonwänden des Internatsgebäudes ergab, dass eine zu geringe Betondeckung vorhanden war. Stellenweise ging diese sogar gegen 0 mm. Damit wurde die Mindeststärke für die Betondeckung erheblich unterschritten und es hatten sich daher in einigen Bereichen Karbonatisierungsspitzen ausgebildet. Die Bewehrung war nicht vor Korrosion geschützt.
Korrosion
Da der Beton seine Fähigkeit zum Rostschutz verloren hatte und genügend Sauerstoff und Wasser vorhanden war, konnte der Stahl im Beton korrodieren. Die für den Korrosionsvorgang erforderlichen Bedingungen, Wegfall des Korrosionsschutzes durch Karbonatisierung des den Stahl umgebenden Betons und Gegenwart von Wasser und Sauerstoff waren bei der Balkonfassade des Gebäudes gegeben. Bedeutend ist, dass neben der Karbonatisierung vor allem ein ausreichendes Feuchtigkeitsangebot zur Rostbildung führt. Dieses ist in den witterungsbeanspruchten Außenwänden von Gebäudefassaden vorhanden. Beim Korrosionsprozeß vergrößert sich der Stahl an der Oberfläche auf sein 2 ½ faches Volumen. Diese Volumensvergrößerung erzeugt einen Druck, der zur Absperrung des überdeckenden Betons führt.
Schadensdiagnose
An der Fassade hat die rostende Bewährung an zahlreichen Schadstoffen einen starken Sprengdruck auf das Betongefüge ausgeübt, so dass dieses zerstört wurde. Als Konsequenz ist die Bewehrung dem Witterungsangriff nun ungeschützt ausgesetzt. Niederschlagsfeuchte beschleunigte die Korrosion der Stähle erheblich und verursachte Rostbildung an den Schadstellen. Die stellenweise freiliegenden Bewehrungseisen sind jetzt auch im Falle eines Brandes gefährdet. Wegen der guten Wärmedämmung des Betons dient die Überdeckung als Schutz vor Brand. Eine besondere Gefährdung der Bausubstanz des Vinzenz-Palotti-Kollegs lag darin, dass der Verbund von Stahl und Beton als Folge der geschädigten Betonüberdeckung für die Aufnahme von Lasten nicht mehr gewährleistet war. Stellenweise war es aufgrund des fehlerhaften Einbaus der Bewehrung zum Ausbeulen der Stäbe gekommen. Da die Statik des Internatsgebäudes gefährdet war, mußte eine grundlegende Betoninstandsetzung durchgeführt werden.
Betoninstandsetzung
Das Instandsetzen von Beton erfolgt gemäß der "Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen" herausgegeben vom Deutschen Ausschuß für Stahlbeton (DAfStb). Dementsprechend stellt ein sachkundiger Planungsingenieur nach der Analyse des Schadens und der Festlegung des Sollzustands einen Instandsetzungsplan auf. Bei dem Schadensfall Vinzenz-Palotti-Kolleg musste der Beton instandgesetzt und geschützt, der Korrosionsschutz der Bewehrung wieder hergestellt werden.
Schadensausmaß
Vor Beginn der Sanierungsmaßnahme wurden alle losen Betonteile und Hohlstellen an der Fassade durch Abklopfen festgestellt und markiert.
Untergrundvorbehandlung
Die Vorbehandlung das Untergrundes richtet sich nach Art und Umfang der durch die Analyse festgestellten Schäden. In jedem Fall sind alle erkennbaren Mängel, aber auch alte nicht mehr fest haftende Beschichtungen vor Beginn der Neubehandlung, gründlich zu beseitigen.
An der Gebäudefassade wurden die durch Korrosion und Verwitterung bereits gelockerten Betonteile bis zum festen Betogefüge abgestemmt. Beim Freistemmen muß darauf geachtet werden, dass die Bewehrung so wenig wie möglich erschüttert wird. Zum Schutz des verbleibenden Querschnitts wurde mit einem leichten Elektrohammer gearbeitet. Dabei wurde nicht alles was karbonatisiert ist entfernt, sondern nur Bereiche, in denen der Bewehrungsstahl sichtbare Korrosionsschäden zeigte. In der Regel ist es nicht sinnvoll den gesamten karbonatisierten Beton zu entfernen, da dieser fester und dichter ist als im unkarbonatisierten Zustand, jedoch keine korrosionsschützende Wirkung hat. Das Freistemmen des Bewehrungsstahls in den gesunden Beton hinein bis ca. 2 cm ist ausreichend. Bei Stählen, bei denen die Korrosion die Rückseite des Stahls erreicht hat, wurde dieser soweit freigelegt, dass beim nachfolgenden Sandstrahlen aufgrund des Rückpralls die Rückseite des Stahles fachgerecht entrostet werden kann. Ebenso wird das Auftragen des Korrosionschutzsystems erleichtert.
Das Entrosten der freigelegten Bewehrungsstähle erfolgte im Sandstrahlverfahren. Bei diesem mechanischen Vorgang wird der scharfe Basaltsplitt durch Preßluft beschleunigt und mit seinem Treibmedium gemeinsam auf die zu bearbeitende Oberfläche geschossen, die oberste Zement-Schlämme-Schicht abgerissen, alle im Beton enthaltenden Poren freigelegt und offenliegende Bewehrung entrostet. Der zu erreichende Entrostungsgrad muss SA 2 ½ nach DIN 55 928, T 4 betragen. Ein weiteres wesentliches Merkmal ist, dass die Oberfläche durch das Strahlen aufgerauht wurde (Rauhtiefe ca. 1 bis 2 mm). Die so entstandene "Kraterlandschaft" bietet die besten Voraussetzungen für die mechanische Veklammerung zwischen Untergrund und Beschichtung. Für die Wirksamkeit der Sanierungsarbeiten ist die Verbundfestigkeit entscheidend. Diese muß ausreichen, um die sich aus unterschiedlicher thermischer Verformung verschiedener Materialien ergebende Spannung aufzunehmen.
Korrosionsschutz
Zum Schutz wurde die entrostete Bewehrung unverzüglich mit einem zweifachen Korrosionsanstrich auf mineralischer Basis versehen. Mit Hilfe von in die Betonwand eingedübelten Flacheisen konnten ausgebeulte Bewehrungsstäbe verankert werden.
Haftbrücke
Um einen vollständigen Verbund des Reparaturmörtels mit dem Betonuntergrund zu gewährleisten, werden Haftbrücken eingesetzt. Beim Auftragen der mineralischen Haftbrücke wurde das Material gut in die Oberfläche des Betons bzw. des beschichteten Stahls eingebürstet.
Reparaturmörtel
Der anschließende Reparaturmörtel muß frisch in die Haftschlämme eingebracht werden. Mittels Kelle und Glätter wurde dieser in die Fehlstelle eingearbeitet und durch Andrücken verdichtet. Dabei erfolgt das Auftragen des Grobmörtels, je nach der Tiefe der Schadstelle, in mehreren Schichten.
Feinspachtelung
Bei der Fassade des Internatsgebäudes wurde eine Poren- und Lunkerspachtelung aufgebracht. Diese ist notwendig, um eine geschlossene Betonoberfläche zu erhalten und bildet den Untergrund für den Auftrag des nachfolgenden elastischen Oberflächenschutzsystems.
Oberflächenschutzsystem
Die Fassadenoberfläche wurde zum Schutz vor der Einwirkung von Kohlendioxid und Feuchtigkeit beschichtet. Darüber hinaus ist zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, dass auf die gesamte Fassade ein Wärmedämmverbundsystem aufgebracht werden soll. Aus diesem Grund wurde auf die farbige Gestaltung des Gebäudes verzichtet.